„Wir sind in einer Umbruchphase“ – SPD-Vorsitzender Lars Klingbeil zu Gast bei der SPD Wetterau

Kreisanzeiger vom 29.08.2023 / Ihm-Fahle

Lars Klingbeil, einer der beiden Bundesvorsitzenden der SPD, war Gast in der Bad Nauheimer Trinkkuranlage. Eingeladen hatten die Wetterauer Sozialdemokraten, um ein Doppeljubiläum zu begehen. Lieber Lars, schön, dass du da bist.« Mit diesen Worten begrüßte Manfred Scheid-Varisco, Pressesprecher der SPD Wetterau, den Bundesvorsitzenden Klingbeil. Der 45-Jährige traf wegen vieler Termine und diverser Probleme mit Verkehrsträgern etwas später als geplant in der Bad Nauheimer Trinkkuranlage ein. Comedy-Künstler »Bäppi«, auch er Sozialdemokrat, überbrückte dies aber perfekt. 160 Jahre Bundes-SPD und 50 Jahre SPD-Unterbezirk begingen die Wetterauer Genossen dort mit großem Programm. Vorsitzende Lisa Gnadl sowie Adela Yamini und Jean Michel Zapf, die Führungsspitze des Ortsvereins, konnten einen vollbesetzten Saal begrüßen.Höhepunkt war die Rede von Klingbeil, in der er auf Inhalte der Bundespolitik einging. Wie er konstatierte, leben die Menschen in turbulenten Zeiten. »Wir sind in einer Umbruchphase«, stellte er fest. Vier Dinge spielten eine Rolle, der geopolitische Umbruch mit neusortierter Weltkarte. »Das Zweite ist der furchtbare Krieg«, erklärte er. Europa sortiere sich dadurch gerade neu. Als größte Aufgabe der jungen politischen Generation bezeichnete er es, den Kontinent stark zu machen. Dritter wichtiger Punkt sei alles, was unter dem Begriff der Klimaneutralität läuft. »Es fordert uns wahnsinnig viel ab, wenn wir anfangen, das Theoretische konkret zu machen. Aber wir müssen das tun.« Das gebietet laut Klingbeil die Verantwortung gegenüber den nachfolgenden Generationen und der Jugend. Was ihn sehr beunruhige, sei die »rechtsextreme Partei, die über 20 Prozent liegt«. Er beschrieb seine Sorge, dass die »Feinde der Demokratie« stärker würden. Nie werde es eine ausgestreckte Hand der SPD an Rechtsextreme geben, egal, ob auf kommunaler, Landes- oder Bundesebene.

Klingbeil ging auf die Kinderarmut ein. »2,8 Millionen Kinder leben in Deutschland in Armutsverhältnissen. Es ist nicht akzeptabel, dass ein Kind in einem starken reichen Land in Armut lebt, egal, welchen Hintergrund es hat.« Industriepolitik bezeichnete er als sehr wichtig. Sein Ziel: Die Abwanderung von Industrie ins Ausland zu verhindern. Den Fachkräftemangel anzupacken, charakterisierte er als sehr bedeutsam: Auf inländische Potenziale setzen und Zuwanderung von Fachkräften ermöglichen. Er appellierte, eine Willkommens-Kultur zu leben, um ein starkes Land zu bleiben. Als weitere Ziele nannte er Bürokratieabbau, mehr Geld für Investitionen und Unterstützung der Wirtschaft, um diese zu halten.

Die hessische Spitzenkandidatin, Bundesinnenministerin Nancy Faeser, erkannte nach Ansicht von Klingbeil früh: »Der wichtigste Kampf im deutschen Innenministerium ist der Kampf gegen Rechts.« Als künftige Ministerpräsidentin in Wiesbaden kann Faeser seiner Ansicht nach viel bewirken. »Es braucht einen Politikwechsel in Hessen, mit einer Regierung, die von der Sozialdemokratie geführt wird«, betonte er unter Beifall. Anschließend erfüllte er viele Fotowünsche.

Zu den Programmpunkten gehörte auch eine Talkrunde, moderiert von Landtagskandidatin Anne Thomas. Gesprächspartner waren Landratskandidat Rouven Kötter, die Ortenberger Bürgermeisterin Ulrike Pfeiffer-Pantring und der frühere Landrat Rolf Gnadl. Es ging um persönliche Momente, politische Erfolge und Wünsche. Gnadl schilderte unter anderem, wie seine Tochter Lisa eine der Schulsprecherinnen in Konradsdorf war und um die gymnasiale Oberstufe kämpfte. Als Landrat sei er Adressat des Protests gewesen, auch wenn er das Anliegen unterstützte. Pfeiffer-Pantring blickte auf die Bildungschancen zurück, die sie als junge Frau dank sozialdemokratischer Politik hatte. Was die SPD versprach, seien keine Worthülsen gewesen, Kötter ging auf die aktuelle Wohnungsnot ein. »Das beschäftigt die Menschen – der Markt regelt es nicht. «

Bei Currywurst, garniert mit stimmungsvoller Musik von Folksängerin Tine Lott aus Büdingen, und flotten Songs von »Bäppi« klang der Doppelgeburtstag gelungen aus.